Sperrung von Kinderporno-Seiten

Dass die Schaffung einer Zensurinfrastruktur über Sperrlisten keine gute Idee ist, sollte allen klar sein, die sich schon mal mit der Nutzung solcher Möglichkeiten durch die Behörden auseinandergesetzt haben. Wie das genutzt wird, ist spätestens seit der Hausdurchsuchung bei wikileaks.de klar:

SPON schreibt:

Am Dienstag, den 24.3., gab’s eine Hausdurchsuchung beim Inhaber der Domain wikileaks.de in Jena. Die Webseite soll auf kinderpornografische Seite verlinkt haben, indem sie auf wikileaks.org verlinkte, die wiederum auf australische Zensurlisten verlinkt haben, die ihrerseits auf besagte kinderpornografische Seiten verlinkten. Die Verlinkung auf die Zensurlisten sollte laut wikileak.org zeigen, dass von einer Sperre auch viele unbescholtene Angebote betroffen wären. Gestern kritisierte Ralf Schwartz in mediaclinique die Berichterstattung der „Qualitätsmedien“ über den Fall. „Warum liest man nichts von ihnen? Sind sie nicht in Google gelistet unter den ersten 200 Treffern? Nach 60 Stunden? Wer hat da kein Interesse? Die Menschen oder die Presse? (Ich denke, ich muß hier nicht explizit erwähnen, daß die übrigen 196 Ergebnisse aus Blogs, etc. resultieren.)“ Udo Vetter, der den Beschuldigten verteidigt, erklärt im law blog: „Theodor R. wird vorgeworfen, Beihilfe zum Vertreiben von kinderpornografischen Schriften zu leisten. Und zwar dadurch, dass er seine Domain wikileaks.de schlicht und einfach auf die Internetseite wikileaks.org umleitet. Die Begründung: Auf der verlinkten Startseite von wikileaks.org findet sich unter anderem ein Link zu einer australischen Sperrliste. Diese Sperrliste ist auf Wikileaks nicht nur zum Download als reiner Text verfügbar (Download-Bereich im oberen Teil). Sondern die Liste ist auf der verlinkten Seite im unteren Bereich nochmals wiedergegeben. Mit einem Unterschied: Die gesperrten Internetseiten sind dort per Hyperlink verknüpft.“ Die Frage ist jetzt: Bis ins wievielte Verlinkungsglied ist man verantwortlich?

Also: bald gibt es in Deutschland auch solche Zensurlisten. Aber es wird nicht gestattet sein darüber zu berichten wer da drauf steht – denn dann droht die Hausdurchsuchung wegen Verbreitung kinderpornografischer Schriften. Nach der Aktion dürfte klar sein, dass wikileaks.de und wikileaks.org auf der Liste stehen werden. Aber auch darüber dürfen wir dann nicht mehr schreiben….

Das die Hausdurchsuchung ein Revanche für die Bloßstellung des BND durch Wikileaks vergangenes Jahr war, ist übrigens nur ein böses Gerücht.

Update:
Hier eine Liste aller in der Türkei gesperrten Seiten (auf Deutsch). Eine solche Liste gibt es dann für Deutschland nicht öffentlicht. Wer sie selbst erstellt und veröffentlicht, der hat die Polizei vor der Tür.

An alle türkischen Leser: Viele der Seiten (insbesondere der Blogs) lassen sich auch von der Türkei aus prima lesen über einen Proxy. Beispielsweise, kann man die gesperrte Seite yaratiliscilaracevaplar.blogspot.com in der deutschen Google-Übersetzung lesen – wenn es bei Türkisch bleiben soll: Einfach die Übersetzung von Chinesisch nach Türkisch wählen.

Update 2:
Wie das Law-Blog feststellt, ist eine Sperrung von Kinderpornoseiten kein Schlag gegen die Kinderpornoindustrie. Schon alleine deswegen, weil es so eine Industrie gar nicht gibt.

6 Responses to Sperrung von Kinderporno-Seiten

  1. Ergänzer sagt:

    Was völlig herunterfällt: im Artikel 5 Absatz 1 dess GG heißt es „Eine Zensur findet nicht statt.“ – Der freie Zugang zu Informationen ist also als hohes Gut definiert.

    Im Folgeabsatz wird explizit der Schutz der Jugend erwähnt. Allerdings stellt sich für mich bei der Einschränkung des hohen Gutes die Frage nach der demokratische Kontrolle.

    Wieso dürfen schnöde BKA-Beamte entscheiden, was auf so eine Liste kommt? Selbst die Geheimdienste sind zumindest auf dem Papier dem PKG unterworfen…

  2. […] das noch mal zusammenzufassen: Es gibt eine Liste it gesperreten IP-Adressen, über deren Inhalt aber niemand berichtet darf. Alleine der Besuch (versehentlich, wissentlich oder zufällig) einer solchen Seite auf der Liste […]

  3. […] Sperrung von Kinderporno-Seiten « Verlorene Generation Also: bald gibt es in Deutschland auch solche Zensurlisten. Aber es wird nicht gestattet sein darüber zu berichten wer da drauf steht – denn dann droht die Hausdurchsuchung wegen Verbreitung kinderpornografischer Schriften. Nach der Aktion dürfte klar sein, dass wikileaks.de und wikileaks.org auf der Liste stehen werden. Aber auch darüber dürfen wir dann nicht mehr schreiben…. Das die Hausdurchsuchung ein Revanche für die Bloßstellung des BND durch Wikileaks vergangenes Jahr war, ist übrigens nur ein böses Gerücht. […]

  4. […] Bleibt also die Frage, wie die türkische Regierung reagiert, wenn sie feststellt, dass keiner den Dienst nutzt. Sperren der „Konkurrenz“ ist schon möglich. Die Türkei hat schon öfters bewiesen, dass sie sich auch nicht scheut die populärsten Webseiten sperrt. YouTube, MySpace und last.fm sind dort auf dem Index. Aber die türkische Bevölkerung wird sich auch mit Sperren nicht zu dem Dienst drängen lassen, genauso wie sie auch nicht auf Youtube verzichten. Und auch nicht den Zugang zu anderen Einträgen auf der türkischen Zensurliste. […]

  5. ben sagt:

    wo sind die listen du hast nur türkische rein gemacht D:

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