Financial Times vergleicht Merkel mit Brüning

Wir haben Steinbrück gelobt, aber Steinbrück und Merkel haben auch jede Menge Kritik geerntet für ihren Standpunkt gegen übermäßige Konjunkturpakete. Aber mit seinem Merkel-Brüning-Vergleich ist Wolfgang Münchau, Chefredakteur von Financial Times Deutschland, eindeutig zu weit gegangen. Was ist geschehen?

In der englischen Financial Times schreibt Münchau:

Germany’s boycott of a co-ordinated European response to this crisis has become serious and persistent. Only a day after the European Commission proposed a modest European Union-wide stimulus of 1.5 per cent of gross domestic product, Peer Steinbrück, the German finance minister, declared that Berlin would reject any co-ordinated EU-level response on the spurious grounds that Germany would have to pay a quarter of the costs.

Was ist den daran „spourious“? Es ist ganz einfach Fakt, dass Deutschland ein Viertel bezahlt. Es ist aber meiner Meinung nach nicht das entscheidende Argument gegen ein Stimulus. Entscheidend ist, dass er mehr Geld kostet als er bringt. Und nicht nur für Deutschland, sondern insgesamt. Wir brauchen das Geld, um die Arbeitslosen „durchzufüttern“, damit es nicht so kommt wie derzeit in den USA.

Yet even he knows that economic conditions have deteriorated more rapidly in the past four weeks than at any stage in our lifetimes. I expect that eurozone – and German – GDP will decline by anything between 2 and 4 per cent next year. Even the more optimistic forecasters admit that the risk is on the downside. So how come the Germans are so complacent?

I have three answers. The first is that the German economic structuralists thought they had done everything right. They reformed the labour market. They cut labour costs. They balanced the budget. They had no property bubble and household balance sheets are fine. The country is less exposed to global capital markets than others. Until recently, this was an economy oozing with strength and self-confidence. Looking at this from political Berlin, you could easily delude yourself into thinking that this is someone else’s crisis.

Ich würde nicht sagen, dass Deutschland „alles richtig“ gemacht hat. Schon gar nicht unter Merkel. Denn da hat sie ja eher gar nichts gemacht – höchstens ein paar Bürgerrechte beschnitten. Aber Deutschland hat sich, mit Ausnahme seiner Banken, deutlich besser verhalten als die anderen Länder. Warum wollen die anderen Länder die Verluste mit Deutschland teilen? Die Gewinne der vorangegangenen Jahre wollten sie ja auch nicht teilen.

The second reason is that the Germans are chronically incapable of handling sudden slumps. Angela Merkel, the chancellor, approaches this crisis in the same spirit as Heinrich Brüning, the chancellor during the Great Depression, whose strategy consisted of balancing the budget and improving Germany’s export share by cutting labour costs. Today’s equivalent is cutting unemployment insurance costs for companies to increase their competitive position. In a typical demonstration of the country’s beggar-thy-neighbour attitudes, Michael Glos, the economics minister, said last week: “We can only hope that the measures taken by other countries … will help our export economy.”

Der Brüning-Vergleich geht ja gar nicht. Ich zitier mal ein bisschen aus Wikipedia wofür Brüning so steht:

Gleich in seiner Regierungserklärung machte Brüning dem Parlament deutlich, dass er willens sei, notfalls auch gegen das Parlament zu arbeiten: Die Ära der halbdemokratischen aber verfassungskonformen „Präsidialkabinette“ begann.

Man kann Merkel an vielen Stellen kritiesieren, aber gegen das Parlament und halbdemokratisch habe ich sie nicht nicht erlebt.

Zwar waren die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise in Deutschland noch nicht zu spüren, doch der Young-Plan verlangte neben weiteren hohen Reparationsforderungen die Stabilität der deutschen Währung. Die Reichsmark durfte daher weder abgewertet, noch die Wirtschaft mit Konjunkturprogrammen angekurbelt werden.

Ah…. der Sparkanzler Brüning hat vielleicht doch nicht seine deutsche Ader ausgelebt und auch nicht bewiesen, dass der Deutsche an sich immer zu spät auf Abschwünge reagiert: Er durfte es nicht, weil die Gewinner von Weltkrieg I es ihm verboten haben.

Sein Sparprogramm wurde übrigens vom Reichstag abgelehnt. Woraufhin er es per Notverordnung einsetzte und das Parlament es wieder aussetzte und er das Parlament dann auflöste. Das ganze hat hat kein halbes Jahr gedauert und bei den Neuwahlen war dann die NSDAP zweitstärkste Fraktion. Dafür aber Brünings-Sparprogramm verantwortlich zu machen ist geschichtsverloren. Er war gerade mal ein halbes Jahr Kanzler und das Programm konnte er in der Zeit nicht durchsetzen.

Erst danach begann er seine Sparpolitik, die sicherlich nicht hilfreich war. Aber sparen will Merkel ja auch gar nicht. Es sei denn Herrn Münchau liegen da Informationen vor, die mir nicht vorliegen. Es geht lediglich darum keine Zusatzausgaben zu tätigen, die über automatischen Zusatzausgaben hinausgehen (Arbeitslosengeld, reduzierte Steuereinnahmen,…) Brüning hingegen „erhob neue Steuern bei gleichzeitiger Senkung staatlicher Leistungen“. Das gleichzusetzen ist infam.

Münchaus dritter Grund ist die Unpopularität von Sarkozy. Da stimme ich ihm zu, aber ich würde Merkel und Steinbrück nicht unterstellen, dass sie eine notwendige Maßnahme unterlassen würden, nur weil Sarkozy unausstehlich ist. Fakt ist eher, dass die Maßnahme nicht notwendig ist und langfristig potentiell schädlich.

1 Responses to Financial Times vergleicht Merkel mit Brüning

  1. Ahad Fahmi sagt:

    Es geht bei Financial Times nicht darum, ob Merkel demokratisch oder nicht, sondern darum dass das Rezept gegen Depression von Bruening genauso von Merkel untauglich war bzw. ist. Das bewies auch Keynes nach der Weltwirtschaftskrise 1929. Die EU ist eindeutig noch keine Nation, deshalb fuehlt sich Deutschland mit Spanien, Griecheland oder Italie nicht. Deswegen ist kein Wunder, dass der Bundestag Merkel’s Kurs folgt, weil die Deutschen sind noch nict betroffen. Sie fuehlen sich manchmal sogar ueberlegend und schulmeisterlich. Leider, leider….. Sie sitzen doch in einem Boot, wenn am Heck zuviele Ladungen sind, dann sinken sie gemeinsam, obwohl der Kapitaen bequem auf der Bruecke sitzt.

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