Mafia-Methoden bei der hessischen SPD?

Seit Gründung des Blogs Verlorene Generation hat die hessische SPD für viele Schlagzeilen gesorgt und wenige davon waren positiv. Aber was nun über die Ticker läuft schlägt dem Fass dem Boden aus: Angeblich wurden Abgeordnete vor der Ypsilanti-Wahl gedrängt Beweisfotos ihrer geheimen Stimme zu machen und auch die Nominierungswahl Ypsilantis soll manipuliert worden sein.

Spiegel-Online berichtet:

Mehrere sozialdemokratische Abgeordnete haben gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) berichtet, dass sie vor der am Ende gescheiterten Ministerpräsidentenwahl von Kollegen unter Druck gesetzt wurden.

Demnach seien sie von mal „wohlwollend“, mal „drängend“ aufgefordert worden, mit einem Handyfoto zu beweisen, dass sie ihre Stimme Andrea Ypsilanti gegeben hätten, berichtet die FAS. Die Aussicht auf eine geheime Abstimmung habe so auch für die drei spätentschlossen so genannten Abweichler im Grunde gar nicht mehr bestanden.

Da die FAZ eine seriöse (wenn auch konservative) Zeitung ist und gleich mehrere Abgeordnete von diesem Verhalten berichten wiegt der Vorwurf schwer. Das sind die Methoden, welche die italienische Mafia verwendet, um sich lokale Regierungsbeteiligung zu sichern. In einer demokratischen Partei und im Parlament haben solche Praktiken nichts zu suchen. Abgesehen von möglicher strafrechtlicher Relevanz zeugt dies schon von einem äußert eingeschränkten Demokratieverständnis des Ypsilanti-Flügels.

Auch die Normierung Ypsilantis sei manipuliert worden:

Weiter schreibt die Zeitung, dass sowohl in der SPD als auch in der CDU in Hessen über Manipulationsvorwürfe gesprochen würde, die in den letzten Tagen in der SPD erhoben worden seien. So haben bei einem Treffen des linken Arbeitskreises der Frankfurter SPD angeblich mehrere Jusos am Abend des 25. November für sich beansprucht, die linke Mehrheit in Hessen, vor allem aber Andrea Ypsilantis Spitzenkandidatur „durch die Hintertür“ durchgesetzt zu haben. Dies haben laut F.A.S. zwei Teilnehmer anschließend auf einer Ortsvereinssitzung berichtet. Deshalb habe nun der dortige Vorsitzende zu einer Klärung der Vorwürfe am 9. Dezember geladen, die gegenüber der Zeitung aber bereits entschieden bestritten worden sind.

Ypsilanti war vom Parteitag im Dezember 2006 erst in der Stichwahl gewählt worden – mit zehn Stimmen Vorsprung. Im Wahlgang zuvor hatten die beiden Kandidaten je 172 Stimmen erhalten, in der entscheidenden Runde wurden dann insgesamt weniger Stimmen abgegeben.

In diesem Zusammenhang wird laut F.A.S. heute auch wieder darüber geredet, dass die Auszählung damals hinter verschlossenen Türen stattfand – ebenso wie die Aufstellung der SPD-Landesliste zur Wahl im Januar 2008. Auf der erwähnten Ortsvereinssitzung habe der Frankfurter Abgeordnete Michael Paris angesprochen, dass bei der Entscheidung zwischen ihm und seinem Konkurrenten Turgut Yüksel im letzten Jahr etwa zwanzig Stimmen mehr abgegeben worden seien als bei den Wahlgängen unmittelbar davor und danach.

Liebe Demokratie-Nichtversteher in der SPD,

hier eine Kurzschulung über demokratische Grundprinzipien:

1) Abgeordnete sollen ihr Mandat frei ausüben und sind nur ihrem Gewissen verpflichtet. Das Gewissen kann auch einem Tag vor einer Abstimmung oder auch am gleichen Tag noch seine Meinung ändern.

2) Es gibt gute Gründe, dass der Gesetzgeber geheime Abstimmungen für bestimmte Fälle vorsieht. Denn sonst ist 1) gefährdet. Es ist nicht zulässig geheime Stimmen über erzwungene Beweisfotos zu genehmen Stimmen umzudefinieren. Dies gilt übrigens auch für markierte Wahlzettel.

3) Auszählungen sollten im Gegensatz zu Stimmen nie geheim sein. Seht den Vorteil darin: Dann verdächtig niemand nach der Wahl, dass einzelne Jusos abgegebene Stimmen entfernt oder um zusätzliche Stimmen angereichert hätte.

4) Ministerpräsident wird jemand, der die Mehrheit der Abgeordneten im Parlament hinter sich vereint. Es reicht nicht, alle Stimmen der eigenen Partei und des Koalitionspartners als gesetzt anzusehen und sich dann von Neokommunisten wählen zu lassen. Es müssen auch tatsächlich alle Abgeordneten dem Gesamtkonzept zustimmen.

Frau Ypsilanti, angesichts dieser Vorwürfe klingen ihre Vorwürfe an die vier Aufrechten („Anschlag auf die gesamte Partei und eine Verletzung demokratischer Spielregeln“) nur noch wie leerer Hohn. Sollten die Vorwürfen der Abgeordneten auch nur teilweise stimmen, so betreiben Sie einen „Anschlag auf die Demokratie“. Bitte treten Sie endlich zurück von den Spitzenämter der hessischen SPD. Sie schaden nur mit Ihrer egozentrischen Machtbesessenheit.

Update: Hier abstimmen, ob Ypsilanti ihre Parteiämter behalten soll.

Und hier gibt es noch die passende Gesetze zu Nötigung von Verfassungsorganen. Mindeststrafe 3 Monate, Höchststrafe 5 Jahre.

Update:
Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, sind wohl auch die Vorwürfe des „Teams Ypsilantis“ and Silke Tesch, sie hätte sich von Roland Koch kaufen lassen, nicht haltbar. Vielmehr seien von Ypsilantis Seite unmoralische Angebote im Gegenzug für Tesch’s Stimme gemacht worden. Ihr sei im Gegenzug für die Stimme angeboten worden „Vize-Landtagspräsidentin zu werden“.


Quellen:
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung: „Handyfotos, Hintertüren – Ypsilantis Methoden?“

Spiegel Online: „Abgeordnete zu Beweis per Handyfoto gedrängt?“

3 Responses to Mafia-Methoden bei der hessischen SPD?

  1. Christian sagt:

    Das einzige was hier verletzt wird, ist der Pressekodex nach Ziffer 2:
    „Recherche ist unverzichtbares Instrument journalistischer Sorgfalt. Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben. Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht werden. Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen.“
    Aber leider kann man sich über Online-Beiträge erst ab dem 1.1.2009 bei Presserat beschweren. Solange muss man Berichterstattung wie in dieser Sache wohl hinnehmen und auch, dass arglose Blogger und Blog-Leser alles glauben, was manche Online-Journalisten so schreiben. Dabei kann man beim Hessischen Rundfunk ganz deutlich lesen:
    „>Man hat darüber geredet. Wie ernst das gemeint war, kann ich nicht sagen<, sagte Tesch. Sie selbst sei aber von niemandem dazu aufgefordert worden, ihr Stimmverhalten per Handyfoto zu dokumentieren.
    Everts sagte, auch sie sei nicht von Mitgliedern der SPD-Fraktion zu einer Dokumentation ihres Wahlverhaltens aufgefordert worden“
    Mehr dazu hier: http://www.narragonien.de/?p=296

  2. ketzerisch sagt:

    Der FAS-Artikel íst nicht nur online erschienen. Einer Beschwerde beim Presserat steht somit nichts im Wege. Die genannten Zitate von Frau Tesch scheinen den Artikel der FAS aber eher zu unterstützen als zu widerlegen. Immerhin war es ein Thema und das ist ja wohl schlimm genug! Politisch haben sich die handelnden Personen damit völlig ins Abseits gestellt.

    Das auch Frau Tesch gedrängt wurde ein Foto zu machen behauptet die FAS nicht.

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