Bürgerinitiative gegen Hochspannungsleitungen

Jeder produziert Müll, trotzdem will keiner eine Müllkippe vor seiner Wohnung. Jeder will billigen Strom und wenig CO2, aber kein Atomkraftwerk in der Nähe. Jeder will einen hohen Anteil an regenerativer Energie im Strommix, aber keine Windmühlen und Stromkabel in der Landschaft. Daher habe ich volles Verständnis für die Bürgerinitiativen gegen Hochspannungsleitungen. Ich finde die auch nicht schön. Leider wird es ohne nicht gehen, denn ohne sie kann der Windstrom nicht zu den Verbrauchern transportiert werden.

Eine Gegnerin ist beispielsweise Petra Enders, Bürgermeisterin der Stadt Großbreitenbach. Sie sagt in der Berliner Zeitung:

Es sind keine neuen Trassen möglich, sondern nur eine Verstärkung der bestehenden Trassen und eine Verbesserung des Netzmanagements.

Das stimmt nicht ganz. Eine Verstärkung der alten Trassen ist sicher notwendig und sinnvoll. Auch eine Verbesserung des Netzmanagements. Nur für Letzteres benötigt man – *Tusch* – neue Trassen. Letztendlich steigt die Netzeffizienz ja nur, wenn die Wege kürzer werden und sich besser auf die Bedarfe einstellen können.

In Verschwörungstheorien ergeht sich Frau Enders mit folgender Behauptung:

Die Trassen werden weniger für den Windstrom als für den wachsenden Stromhandel gebaut.

Mit einem wachsenden Stromhandel geht mitnichten ein wachsender Bedarf an Stromtransporten einher. Der Transport ist durch die Physik geprägt. Da hat der Handel gar keinen Einfluss. Außer vielleicht, dass er die Effizienz der Allokation der Transportkapazitäten erhöht und so für mehr Transportkapazitäten sorgt (aber nicht für mehr Bedarf an Transportkapazitäten).

Energie“experte“ Lorenz Larass darf in einer Studie folgenden Unsinn schreiben:

Die neue Trasse sei nur notwendig, wenn man zusätzlich zum Windstrom auch noch Braunkohlestrom durch die Leitungen transportieren will. Das ist doch widersinnig. Der Windstrom muss Vorrang haben.

Das ist natürlich völliger Unsinn. Strom ist Strom. Sobald er mal erzeugt wurde, kann er nicht mehr nach seiner Herkunft unterschieden werden. Es ist völlig logisch, dass durch neue Trassen auch Strom anderer Quellen als Windräder transportiert wird. Er wird genau genommen den kürzesten Weg vom Erzeuger zu Verbraucher gehen. Wenn „Braunkohlestrom“ durch die neue Trasse geht, dann hat der Windstrom halt mehr Kapazitäten in den alten frei und der Gesamtweg wird kürzer.

Wie gesagt: Ich kann die Gegner von Hochspannungsleitungen gut verstehen. Ich will auch keine in meinem Garten haben. Aber die Argumente, die sie bringen sind nicht stichhaltig. Seit doch bitte so ehrlich und verweißt stattdessen einfach auf das Nachbardorf.

4 Responses to Bürgerinitiative gegen Hochspannungsleitungen

  1. Stefan sagt:

    Klasse Text, der es auf den Punkt bringt. Oft gilt nur das Sankt Florians Prinzip und kein Argument ist zu blöd, um es zu begründen.

  2. […] Umwelt: Bürgerinitiative gegen Hochspannungsleitungen…Verlorene Generation […]

  3. Max Heintze sagt:

    Die Vorstellungen der beiden Politiker über Stromtransport sind schon niedlich. Wer gegen etwas ist, sollte auch dafür sorgen, dass er über die Materie informiert ist und stichhaltige Argumente liefern kann. Das wären dann eher Argumente über die Risiken von Stromleitungen und weniger welche über den Bedarf. Wenn kein Bedarf bestände, würde man auch nicht überlegen, welche zu bauen, so lange das Stromnetz in privater Hand ist.

  4. ripeill sagt:

    Gesundheitsgefährdung durch 380 kV Hochspannungsleitungen 1987 bis 1992

    Diese Dokumente haben wir von 1987 bis 1992 zusammengestellt. Wir versuchten damals, eine 380 kV Hochspannungsleitung verlegen zu lassen, deren Trasse direkt über der Grundschule Hamburg Lemsahl-Mellingstedt verläuft. Die Verlegung der Hochspannungsleitung konnte von uns trotz guter Argumente nicht erreicht werden. Diese unnötige Trassenführung der Hochspannungsleitung besteht weiterhin.
    https://sites.google.com/site/hochspannungsleitungen/

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